Ein Diskussionspapier
Wie schaffen wir es, Kinder und Jugendliche nachhaltig für den Segelsport zu begeistern?
Warum können unsere Kids nicht genauso einfach zum Segeln – selbst auf Regattaniveau – kommen, wie andere zum Fußball. Fünf Jugendliche mit der Bahn aus NRW nach Hamburg oder an die Ostsee, einige Wettfahrten, die Freunde treffen und wieder zurück. Das macht Spaß, passt in die Zeit und es kann dennoch anspruchsvoll gesegelt werden.
Die Ausgangslage
Die Idee deckt sich im Prinzip mit den Werten der aktuellen Jugendbroschüre des DSV (Link). Es werden Gemeinschaft und Spaß betont, so Timo Haß – 12 Jahre Jugendobman im DSV – in seiner Einleitung. Für die Kaderathleten bedeutet Segeln zudem #ABWECHSLUNG, #LEIDENSCHAFT, #FREUNDSCHAFT, #LIFESTYLE, #KRÄFTEMESSEN, #REISELUST und #FREIHEIT. So oder so ähnlich betonen es erfolgreiche Segler weltweit immer wieder: Rosalin Kuiper aus dem Team Malizia über das Gefühl von Begeisterung und Freiheit im Opti, welches auch auf der Imoca im Südpolarmeer noch immer präsent ist: Youtube Link.
Aus Sicht der O’pen Skiff Klasse, welche hinter diesem Artikel steht, sind dies zu 100% die Werte, die in dieser Klasse gelebt werden. Die Kinder wechseln meist früh in den O’pen Skiff oder starten direkt damit. Die Boote sind einfach cool, ein moderner #LIFESTYLE. Das Material ist für alle gleich, der Einstieg sehr einfach. Die Boote sind robust und unkompliziert, dabei segeln sie schnell und performant. Typisch für eine Skiff-Klasse ist Segeln hier ein echter Wassersport. Schnell wird klar, dass geschicktes und schnelles Kentern und Aufrichten gelernt werden muss und sogar Spaß macht – zumal das Pützen entfällt. Das Boot ist dank des unsinkbaren Rumpf selbstverständlich auch für Einsteiger sicher. Schnell wird Spaß und #LEIDENSCHAFT auf dem Skiff erlebbar und sichtbar. Dieser Spaß bleibt in den Trainingsgruppen dauerhaft sichtbar. Einigen ist dieser Spaß genug, das ist absolut richtig und ok.
Für andere Kids sind zwei Boote schon eine Regatta. Selbst auf älteren Clubbooten findet schnell und spielerisch ein #KRÄFTEMESSEN statt. Der Weg in die Regattaszene ist dabei einfach. Von der deutschen Elite bis zu Einsteigern ist meist alles dabei. Rund um die Regatten entstehen #FREUNDSCHAFTEN, die auch auf dem Wasser stets spürbar sind. Selbst wenn es in Richtung überregionaler Wettfahrten oder IDJM oder gar Weltmeisterschaften geht.
Denn der Weg ist für alle, die mehr wollen und die die #REISELUST gepackt hat, auch in die internationale Richtung nicht weit. Durch innovative und gleichzeitig anspruchsvolle Regattaformate die Spaß machen, bleibt das Segeln #ABWECHSLUNGSREICH. Die Klasse vereint Spaß und anspruchsvolles Skiff-Segeln. Talente gehen anschließend meist direkt in andere Skiff-Klassen wie 29er oder mit kurzer Übergangsphase direkt ins Foiling, Surfen oder in Ausnahmefällen mit 18 Jahren auf den F50 bei Sail GP im Team USA.
Kurz: Die Klasse macht Spaß und begeistert nachhaltig.
Alles gut?
Das klingt doch alles nach einer runden Sache. Aber auch die Klasse O’pen Skiff kämpft mit zu wenig Meldezahlen bei Regatten und zu wenig Nachwuchs im Verein. Dabei fangen ja immer noch viele Kids mit dem Segeln an. Ob im Ferienkurs, im Verein oder sogar in der Schule (Link). Und leider hören sehr viele Kinder und Jugendliche mit dem Sport jedoch verhältnismäßig schnell auch wieder auf. Wie eine Studie (Link) aus den USA zeigt, fehlt 90% der Kids, die schon früh mit dem Sport aufhören, der Spaß. Norwegen basiert übrigens sogar die überaus erfolgreiche Olympiakampagne auf Spaß und Vielfalt im Sport für Kinder und Jugendliche (Link).
Entsprechend gibt es zunehmend Stimmen wie die von Andreas Voigt und Jan Müller mit dem Artikel „Ein Gedankenspiel“ (Link) über den klassischen Regattabetrieb und eigentlich aber noch viel eindringlicher die Stimme von DSV Nachwuchshoffnung Ole Schweckendiek auf der Podiumsdiskussion des 2023er Jugendseglertreffen (Link).
So fand Ole Schweckendiek – frisch gekürter ILCA 6 Welt- und Europameister U21 – vor über 300 Delegierten und Gästen in Kiel-Schilksee im Februar 2023 klare Worte.
Er mahnte „den Opti nicht überzubewerten“, es werde „zu viel Stress gemacht“, man würde „den Kindern den Spaß nehmen und sie zu Höchstleistungen pushen”. Die Kinder „hätten keinen Bock mehr“, sie würden gar „zerschlissen“. Starke Worte.
Dabei ist der Opti in seinem 75. Jahr ein gutes Boot für den Einstieg, keine Frage. Der Opti ist und bleibt eine Klasse, in der fast alle jungen Segler:innen irgendwann einmal mit Spaß angefangen haben. Und er ist sowohl im Breitensport, aber auch aus der ambitionierten Regatta-Szene nicht wegzudenken. Steht im Leistungsbereich aber eher für etablierte Regattaformate und einen Fokus auf Material und Trimm. Beide Richtungen bedeuten für sehr viele Kinder und Jugendliche auf jeden Fall eine Menge Spaß und den richtigen Weg. Aber die Stimmen werden lauter, die aus verschiedenen Gründen nach alternativen Formaten und Ideen verlangen, um Spaß und Begeisterung wieder mehr zu betonen. Denn von der Bootsklasse ist dies ja erst einmal völlig unabhängig. Aktuell gibt es in der Breite kaum eine Alternative, die “etwas Anderes” anbietet.
Genau ein solches Format wollen wir als O’pen Skiff Klasse anbieten. Denn schon von Beginn an stellt die Klasse Spaß und Freude im Sinne einer nachhaltigen Begeisterung der Jugendlichen in den Fokus, mit gleichzeitigem Fokus auf anspruchsvolles Segeln. Es hat sich gezeigt, dass dabei nicht nur in der Breite Jugendliche nachhaltig für den Segelsport gewonnen werden, sondern auch moderne und begeisterte Leistungssegler entstehen. Schließlich ist die Klasse als Skiff schon recht nah an dem, was die Jugendlichen auch sonst am Segeln begeistert, wie 49er und 49er FX bei Olympia, die coolen Foiling-Klassen, Sail GP, Americas Cup aber auch Surfen, Kiten oder natürlich die Imocas von Boris Herrmann und Co.
Nach Auskunft von O’pen Skiff USA zeigte sich in den letzten Jahren übrigens durchaus der Erfolg dieser modernen Skiff-Klasse. Die Nachwuchssegler:innen aus Hawaii – wo man sich vorrangig auf den O’pen Skiff konzentriert hat – haben bei den nationalen US-Meisterschaften im Segeln und Surfen überdurchschnittlich gut abgeschnitten.
Wie aber kann die Alternative aus Richtung der O’pen Skiff Klasse aussehen?
O’pen Skiff Cup Serie
Wichtigster Punkt ist das konsequente One-Design der Klasse. Die Boote sind absolut identisch. Es gibt so gut wie keine Modifikationen, das Tuning ist zentral von der internationalen Klasse vorgegeben und besteht aus drei modifizierten Schoten und Streckern. Für alle gleich. Jeder kann also jederzeit auf ein Boot springen und gemäß Talent und Erfahrung auf seinem Niveau segeln.
Dies bildet den Schlüssel für das Konzept einer “O’pen Skiff Cup Serie”.
Dieses Konzept ist so noch nicht umgesetzt, sondern ein Vorschlag zur genaueren Ausarbeitung und Diskussion.
Bootspools
Man würde regionale Schwerpunkte bilden. Diese Vereine bieten die “O’pen Skiff Cup Serie” als Schwerpunktregatten an. Diese geben verlässlich die für die Rangliste nötigen Wertungspunkte.
Dabei würden von den Vereinen Bootspools mit je 10-20 Stück der günstigen Booten zur Vermietung vorgehalten, um den Transport einzelner Boote zu vermeiden. Weitere Boote von Privat oder aus Vereinen aus der Region ergänzen zusätzlich. Bei Einschreibung könnten sich Segler:innen um die Leihboote bewerben, je früher desto besser. Dies unterstützt frühe Meldungen und Planbarkeit der Regatten. Eine Leihgebühr erhöht die Verbindlichkeit und hilft dem Verein, den Bootspark in Stand zu halten.
Gleichzeitig böte dies die Möglichkeit, Segler:innen aus anderen Klassen die Chance zu geben, unverbindlich und einfach, den O’pen Skiff zu probieren, indem einige Boote obligatorisch für lokale Umsteiger vorbehalten würden, die aus anderen Klassen den O’pen Skiff probieren könnten.
Sicher würden sich noch weitere Möglichkeiten zur Verwendung finden, wenn es zum Beispiel in den Ferien planbare Bootskontingente in Vereinen gibt, die unter bestimmten Bedingungen für Ferienpassangebote oder Ähnliches genutzt werden können.
KV-Boote
Um auch Gruppen den Einstieg zu erleichtern, können sich Vereine um einen Hänger mit z.B. 4 Booten der KV bewerben. Dieser würde für einen Monat zur Verfügung gestellt, der Verein kommt mit den Segler:innen im Anschluss zu einer ersten Schwerpunktregatta und segelt mit seinem Team direkt mit.
Neue Regattaformate
Wie liefe eine solche Schwerpunktregatta ab? Die O’pen Skiff Klasse ist bekannt für das neue Format einer Un-Regatta. Dabei werden anspruchsvolle Elemente guter Bootsbeherrschung wie auf Kommando Kentern, Kringeln, Segeln im Stehen, Beach-Start, Slalom aber auch kreative Freestyle Elemente eingebaut. Wohl am bekanntesten ist das so publikumswirksame Gate-Of-Doom, ein Tor unter welchem hindurch die Segler:innen ins Ziel einfahren (Youtube Link).
Diese Regatten sind ein großes Spektakel und machen allen einen großen Spaß mit Freunden. Anspruchsvolles Skiff-Segeln ist natürlich trotzdem oder gerade aufgrund des neuen Formats selbstverständlich.
Ob von Beginn oder über die Zeit könnten weitere Innovationen, wie Halbwind-Starts, viele kurze Wettfahrten und Finalrennen in Anleihe am Sail GP Format.
Nachhaltigkeit
Nicht nur die Begeisterung soll nachhaltig sein, auch das Boot. Die Generation, über die wir sprechen, fordert zu Recht, dass der Segelsport seinem Image gerecht wird und soweit möglich nachhaltig ist.
Das oben genannte Format reduziert den Transport einzelner Boote Wochenende für Wochenende schon einmal dramatisch.
Zudem ist das Boot selbst nachhaltig! Der Rumpf wird aktuell zu 70% aus Recycling-Material hergestellt. Der Rumpf ist nahezu komplett aus PE und kann daher direkt recycelt werden. Dabei ist es so robust, dass auf der WM teils zig Jahre alte Boote vorne mitfahren. Es müssen somit nicht Jahr für Jahr neue Wettkampfboote angeschafft werden.
Fazit
Alle gewinnen, wenn Segeln nachhaltig begeistert. Es braucht Alternativen gleich von Beginn an. Kein Kind soll mit dem Segeln aufhören, weil es keinen Spaß mehr macht. Langzeitmotivation ist speziell in den frühen Ausbildungsjahren auch laut DSV Rahmentrainingsplan oberstes Gebot.
Lasst uns gemeinsam Formate finden, die dies unterstützen und die eine Alternative bieten. Eigentlich wissen wir doch alle, die dabeigeblieben sind, dass Segeln eine lebenslange Passion ist.
Die Kids, die es zu Olympia oder in andere spätere Leistungsklassen machen, sofern sie dies wollen, die machen ihren Weg. Aktuell scheint es hier und da eher an Spaß und nachhaltiger Begeisterung zu mangeln. Hier können und sollten wir etwas tun.
Text: Fotos: Till Kubelke
Fotos: Till Kubelke, Karin Krugler-Felsch, O’pen Skiff DE
Revision: 1.1
Hierzu gibt es einen passenden Beitrag zu dem Thema auf yacht.de :
https://www.yacht.de/reisen-chartern/weltweit/nachhaltigkeit-wie-gruen-ist-der-segelsport/